Wie schon in den vorangegangenen Artikeln erwähnt wurde, sind es die:"Ansätze zur Bestimmung disziplinübergreifender Handlungrelevanz" die dabei helfen sollen, ICT-Konzepte zu verfeinern und bereits während der Projektphase Systementwicklungen an den Workload und den Workflow der kommenden Benutzergruppen anzupassen und nicht umgekehrt. Viele Systemlösungen sind heute als Enterprise Entwicklungen deklariert worden, befinden sich jedoch immernoch in einer weniger intuitiv erreichbaren Software-Ergonomie im gleichmäßigen Update-Intervall. Diese Artikelserie möchte sich aber nicht ausschließlich an jene Leser richten, die Konzepte zum Aufbau eines Semantic Web Instruments kennenlernen wollen. Daher der freundliche Hinweis an die Leser:
Dies ist keine Dokumentation einer Referenzontologie!
Hier soll allein der informationsoziologische Aspekt geklärt werden, ob der Ansatz aus der ersten Artikelserie ausreicht, um ein Informationsmodell zu konstruieren, dass infrastrukturbasierte Handlungsmsuter auf Grund informationssoziologischer Bedeutung berücksichtigt, um daraus einen disziplinunabhängigen Charakter herauszubilden. Das Modell sollte daher nicht nur allein zur Strukturgewinnung auf Grund vorhandenen Wissens pragmatisch umgesetzt werden, denn mehr zur vorbereitenden Handlungsdeutung fähig sein. Das Modell der benötigten Softwarearchitektur ist hierbei ein zweitrangiger aber wichtiger Aspekt im Laufe der technologischen Entwicklungen (Siehe dazu Teil 2). Vordergründig wird hier die Aggregation explorativen handlungsrelevanten Wissens, zur Gewinnung von Handlungsergebnissen mittels disziplinunabhängiger Dokumentenmodelle ermöglicht werden können. Dieses handlungsrelevante Wissen, kann in Form strukturbasierter Metadaten, entstanden in Informationskanälen, zur Abbildung von Handlungserfahrungen kommuniziert und von Nutzer verstanden werden.
Ziel des Modells: Der Benutzer des daraus konzipierten Informationssystems sollte persönliche Erwartungen und vorhandene fachliche Kenntnisse beim Umgang mit dem System bestätigt sehen. Die inhaltliche Bedeutungsstruktur wird von der inhaltlichen Metadatenebene getrennt und dem Nutzer nicht als Empfehlung vorgegeben. Er kann demnach sowohl assoziative als auch explorative Methoden nutzen. Das Modell gibt nur den epistemologischen Charakter bei Forschungsarbeiten als Hilfe vor. Eben dieser disziplinübergreifende Ansatz wird Inhalt dieses ersten Teils der Artikelserie und diskutiert die mögliche Umsetzung als Modell oder sogar zur Integration in ein Informationssystem. (TransMeta)
Das Modell
Der Aufbau des Modells sieht vor, zu Beginn die drei wichtigsten generischen Kompnenten zu positionieren:
- Knoten: Eingang in den Informationskanal, Hypothese, Beweis, Messdaten, Untersuchungs-Kontext (Forschungsmuster)
- Informationskanal; zeichnet Handlungs-Metadaten im Kontext der thematischen Forschungsmsuter auf
- Kanalausgang; Auswertung des Informationsflusses, Gegenüberstellung: Handlungs-Metadaten - Forschungsmuster
Architektur des Handlungswissens
Obliegt es nun dem System, Entscheidung zu den Handlungsprozessen zu treffen, so liegt die Entscheidung über den Umgang mit dem Handlungswissen beim Hersteller der Technologie bei Abschluss des Architekturdesigns. Das kann leicht dazu tendieren, dass bei neuartigen und vorher unbekannten wissenschaftlichen Arbeitsprozessen die bevorstehenden explorativen Handlungen am Anwendungssystems angepasst werden müssen. Auf Grund einer zunehmenden Ungewissheit gegenüber dem Ergebnis am Kanalausgang, werden postkombinierte Mechanismen mit kontrollierten Vokabular notwendig. Die technische Ungewissheit als informationsoziologischer Effekt steigt an, denn beim Entdecken z.B. bei Experimenten oder bei Expeditionen ist nicht klar, welche Handlung durch unveränderbare Erschließungsinstrumente vermindert wird. Die hierbei relativ hohe systemisch vorkonstruierte Ungewissheit kann beim Umgang mit Datenverwaltungssystemen erhöhte terminologische Ambiguität zur Folge haben und fortwährend kontraproduktive Auswirkungen auf den Erkenntnisgewinn neu geschaffener Handlungsstrategien in der Wissenschaftspraxis haben.
Ansatz
Eine Umkehrung der Mächtigkeit des Systems, i. S. einer Kanalisierung von zweckbezogenen Handlungsmustern könnte die "klassische Art" einer systemabhängigen inhaltlichen Erschließung nachhaltig ersetzen. Klar ist, dass jeder Nutzer bestimmte Erfahrung und Erwartung vor der Eingabe von Informationen in ein System mitbringt. Unmittelbar vor der Interaktion mit dem System entsteht somit beim Nutzer ein handlungsrelevanter Kontext, der bereits hier einen bestimmten Grad an strategischer Ungewissheit gegenüber dem vom System generalisierten Handlungsmusters erkennen läßt. Um diese informationssoziologische Differenz zu modellieren, muss diese vorliegende strategische Ungewissheit vom Rest des Modells betrachtet werden.
Der integrative Ansatz dieses Modells ist daher bestrebt dass auf die Verarbeitung der Information reduzierte System mittels kanalbasierter Kontextinformationen über Stand und Fortschritt der Informationssignifikanz während der automatischen Indexierung in Kenntnis zu setzen. Die kontextuelle Abbildung der handlungsrelevanten Vorgänge des Wissenschaftlers zur Erarbeitung einer bestimmten Problemstellung finden demnach außerhalb der Informationsverarbeitung statt. In der Bioinformatik gibt es bereits Bestrebungen dieser Art, in denen mit der einheitlichen Interaktion zwischen den externen Taxonomien relevante Metadaten ad hoc ins System geladen werden.1 Die digitale Nachbildung einer wissenschaftlichen Kausalitätskette wäre damit in Ansätzen möglich. Wir könnten demnach einen "kumulativen Pfadstatus" mit Attributen der Vermutung (Metadaten) und dem Instrument der Beweisführung (Kanalausgang) logisch abbilden und das redaktionelle "Verstehen" (Knoten - Kanal Kontext) in dieser Disziplin kombinieren.
Ein kleines Beispiel aus den Geisteswissensschaften soll das Problem des "Verstehens" verdeutlichen.
Im Rahmen der digital Humanities2 erklärt Hanno Birken-Bertsch dazu die Bedeutung des "Verstehens" und spricht hierbei von drei Aspekten der Veränderung der Geisteswissenschaften (oder des Bildes über sie) durch digitale Datenverarbeitung:
- Verbreitung allg. zugänglicher Techniken (z.B. google, -search, -books) Auswirkungen auf die Geisteswissenschaften (GW) als Effekt ähnlich dem der Globalisierung
- Tradition dig. Hilfswissenschaften könnten sich, mit ihrem Akzent auf dem "Generellen", als Trendsetzer erweisen
- spekulativ, unvollständig eine mögliche neue Sicht auf das "Verstehen"3, die neu gedeutet werden kann, wenn wir postkoordinierte, statistische Verfahren haben, die das "Verstehen" simulieren können.
Die Digitalisierung - sei es die allgemeine, sei es die spezielle - beschert den Geisteswissenschaften Daten. Daten kann man quantifizieren. Man kann an ihnen Hypothesen testen. Man kann mit ihnen Dinge machen, die Geisteswissenschaftler nicht gelernt haben. (Birken-Bertsch, 2010)Die Aussage deutet hierbei auch auf die Unterscheidung zwischen generisch wachsenden und neuen Problemen bei der Modellierung von Forschungsinformationssystemen hin. Das Modell zur Erschließung von handlungsrelevanten Metadaten sollte demnach so flexibel sein, dass der Gebrauch von Elementen eine wahrheitsgemäße Aussage und die Ableitung darüber treffen kann, welche Erwartung und Erfahrung ein Nutzer im Moment der Interaktion mitbringt, bevor er/sie sich für seinen bestimmten Arbeitsprozess entschieden hatte. Die Handlung, die für die wissenschaftliche Arbeit relevant ist, bestimmt seine Vorgehensweise, somit die Auswahl seiner assoziierbaren Methoden, auch wenn das Ergebnis noch ungewiß sein sollte. Die Verknüpfung von handlungsrelevanten Kanälen hat zur Folge, dass sich dann Forschungshandlungen explorativ untersuchen lassen, während entsprechende Metadaten sogar im disziplinunabhängigen Konzept entstehen könnten.
Deterministisch vs. Explorativ
Die Entwicklung der Digitalisierung von analogen Informationen war bisher einem stetigen Wandel der deterministischen Erschließungsmethodik unterworfen und wurde unabhängig vom informationssoziologischen Blickpunkt aus betrachtet. Der "Cognitive Viewpoint" kommt auch hier zum tragen. Die transitiven Metadaten und Nutzerinformation unterstützen die dynamische Zuteilung auf der Ebene der Metadaten und der Fachinformation. Das oben untersuchte Modell kann jedoch mehr, als nur Metadaten aus einem dafür vorgesehenen Kontingent anfordern und dem Nutzer kontextbasiert präsentieren. Mehr dazu in Teil 2 der Artikelserie.
- Reddy, Padmalatha S., Stuart Murray and Wei Liu. "Knowledge-Driven, Data-Assisted Integrative Pathway Analytics." In Handbook of Research on Computational and Systems Biology: Interdisciplinary Applications (1 vol), ed. Limin Angela Liu, Dongqing Wei, Yixue Li and Huimin Lei, 225-247 (2011), accessed January 17, 2012. doi:10.4018/978-1-60960-491-2.ch010
- Hanno Birken-Bertsch: "Die Digitalisierung des Verstehens." Drei Aspekte digitaler Wissenschaft und die Geisteswissenschaften, Beitrag zu den Digital Humanities, digitale Wissenschaft 2010, Tagung vom 20. /21. September Köln 2010. http://digitalewissenschaft.de. veröffentlich auf http://www.scivee.tv/node/25004, DOI: 10.4016/25004.01
- Das Verstehen wir hier i. S. von geisteswissenschaftlicher Ur-Handlung verwendet.
- Niels-Oliver Walkowski: "Semantic Web Technologie im Kontext geisteswissenschaftlicher und explorativer Forschungsprozesse.", Beitrag zu den Digital Humanities, digitale Wissenschaft 2010, Tagung vom 20. /21. September Köln 2010. http://digitalewissenschaft.de. veröffentlich auf http://www.scivee.tv/node/25089, DOI: 10.4016/25089.0
- Belkin, N. J. (1990): The cognitive viewpoint in information science. In: Jounal of Information Science 16 (11). Online verfügbar unter: http://jis.sagepub.com/content/16/1/11.full.pdf. DOI: 10.1177/016555159001600104.